Tilman Thiemig 1959 – 2025

Eine bestürzende Nachricht: Tilman Thiemig starb mit nicht einmal 66 Jahren am 27. Juli dieses Jahres. Aus der Vielzahl seiner mit Hingabe, Leidenschaft, Spielfreude und Stimmgewalt – oft gemeinsam mit musikalischen und künstlerischen WeggefährtInnen – sorgfältig erarbeiteten und eindrucksvoll dargebotenen Lesungen, szenischen Auftritten, Rundgängen an Orten mit besonderer Atmosphäre seien hier nur einige genannt, die mir persönlich unvergesslich bleiben: Das „Scherbenspiel“ um Alfred Richard Meyer (mit Bernhard Selker und Simon Paulus) und ein Schwitters-Abend im Till Eulenspiegel-Museum, der nächtliche „Gang des Bonaventura“ nach August Klingemann, literarische Floßfahrten auf der Oker als „Fluss der Finsternis“, die romantische Rauminszenierung „Von Ofter Dingen“ im Park am Rittergut Lucklum anlässlich des 240. Geburtstags von Novalis.

In Erinnerung bleiben auch mehrere Lesungen aus Tilmans eigenen frühen, etwas beklemmenden „Spinnenwegen“ (mit Marcel Reginatto und Heinrich Römisch), das für Kinder gedachte Radiculo-Projekt im Botanischen Garten (mit Hörbuch), ein herbstlich-düsterer Edgar Allan Poe-Abend und weitere Performances mit Thomas Bode in der Burg Campen, die „Ulenspiegel Boten Gänge“ in Braunschweig, an denen Andreas Jäger mitwirkte, sowie natürlich unsere legendäre fünfstündige (!) „KilometerLeser“-Antiquariatswanderung 2016 anlässlich des Festivals „Braunschweig liest“. Anklang fand auch Tilmans Initiative, gemeinsam mit Thomas Ostwald und Thomas Bode die Okerburg der Schlaraffen für literarische Abenteuer zu öffnen, mit dem Krimi-Turney „Die schwarze Sieben“.

Seine Passion für das Abgründige hatte ihn auch dazu bewogen, einige Jahre lang im Östlichen Ringgebiet das Ladenantiquariat „Mord & Totschlag“ mit Schwerpunkt Kriminal-Literatur zu betreiben. Das ehemalige Laden-Lokal in der Karl-Marx-Straße ist inzwischen Standort der VitaMine (Thorsten Stelzner, Verlag, Galerie und Lesebühne).

Schließlich verfasste Tilman selbst drei hintergründige und fesselnde Ostsee-Kriminalromane: „Ahrenshooper Todholz“, „Ahrenshooper Narrenspiel“ und „Ahrenshooper Spinnenwege“, einen vierten hatte er bereits fertiggestellt und arbeitete nach eigenem Bekunden an einem neuen Werk. Sein Engagement umfasste weitere mit viel Arbeit verbundene Einsätze im Bereich der Literaturvermittlung und Sprachförderung, alles aufzuzählen ist in diesem Rahmen nicht möglich.
Er fehlt so sehr! Mein Mitgefühl gilt auch seiner Familie einschließlich der kleinen Enkelsöhne, von denen er bei unserer letzten Begegnung Ende 2024 so voller Freude erzählt hatte.
Foto, Collage und Text: Ursula Saile-Haedicke